Endlich verständlich: Warum der Nettostrompreis wenig über Ihre Stromkosten sagt

Lesezeit:

xx

Minuten

Aktualisiert am:

8.10.2024

Wenn Sie im Einzelhandel ein Produkt kaufen, wissen Sie genau, was es kostet. Der Preis steht klar sichtbar auf dem Etikett – alle Steuern inklusive. Beim Strom hingegen ist das anders. Sie haben einen Nettostrompreis von 10 Cent pro Kilowattstunde (kWh)? Dann rechnen Sie vielleicht mit 10.000 € für 100.000 Kilowattstunden. Doch in der Realität fällt die Rechnung deutlich höher aus. Aber warum? Welche Faktoren treiben die Kosten in die Höhe? In diesem Beitrag beleuchten wir, wie sich der Strompreis für Industrie- und Gewerbekunden wirklich zusammensetzt – und was Sie dagegen tun können.

Wie setzt sich der Strompreis für Gewerbekunden zusammen?

Der Strompreis setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die sich grundsätzlich in fünf Kategorien unterteilen lassen:

1. Nettostrompreis (Wirkarbeit)

Beschreibung: Kosten die für die Stromgestehung und Beschaffung anfallen oft noch zuzüglich eines Serviceentgelts für den Energieversorger. Die Kosten werden pro verbrauchter kWh berechnet.

Abrechnung: Pro Kilowattstunde – eventuell noch eine Unterscheidung nach Bezugszeitpunkt, wenn es sich um einen dynamischen Tarif handelt.

Auswirkung: Groß. Macht in der Regel 30-50% der gesamten Stromkosten aus.

2. Grundpreis

Beschreibung: Eine pauschale Gebühr, die der Energieversorger für seine Leistungen berechnet

Abrechnung: Unabhängig vom Verbrauch meistens monatlich

Auswirkung: Zu vernachlässigen. Meistens ein sehr geringer Anteil an den Gesamtkosten.

3. Steuern

Beschreibung: Die Stromsteuer ist eine Mengensteuer, die alle Verbraucher in Deutschland zahlen – sofern Sie nicht von ihr befreit sind.

Abrechnung: 2,05 Cent pro Kilowattstunde

Auswirkung: Eher gering

4. Netzentgelte

Diese Gebühren werden von Ihrem Netzbetreiber abhängig von Ihrer Lastspitze (Leistungspreis) und Ihrem Verbrauch (Arbeitspreis) erhoben. Die Höhe der Gebühren unterscheidet sich dann nochmal nach Netzbetreiber und Spannungsebene (also Hoch-, Mittel- oder Niederspannung). Grundsätzlich gilt: je niedriger die Spannungsebene desto höher die Netzentgelte.

Netzentgelte Teil 1: Leistungspreis

Beschreibung: Der Leistungspreis wird für die bereitgestellte Leistung berechnet. Die Leistung bemisst sich nach der höchsten Last in einem gegebenem Zeitraum. In Deutschland sind das meistens die 15 Minuten mit dem höchsten Verbrauch in einem Kalenderjahr.

Abrechnung: Der Leistungspreis wird pro Kilowatt in der Lastspitze berechnet.

Auswirkung: Abhängig vom Lastprofil. Bei Kunden mit einer hohen Benutzungsdauer (mehr als 2.500 Stunden im Jahr) berechnen Netzbetreiber häufig 200€ und mehr pro Kilowatt im Jahr. Bei Kunden mit einer niedrigen Benutzungsdauer (weniger als 2.500 Stunden im Jahr) liegen die Preise zwischen 20€ und 40€ pro Kilowatt.

Netzentgelte Teil 2: Arbeitspreis

Beschreibung: Der Arbeitspreis wird von Ihrem Netzbetreiber für die genutzte Strommenge berechnet.

Abrechnung: Pro Kilowattstunde.

Auswirkung: Wieder abhängig vom Lastprofil. Kunden mit hoher Benutzungsdauer (≥2.500 Stunden) zahlen meistens weniger als 1 Cent pro Kilowattstunde. Kunden mit niedriger Benutzungsdauer (<2.500 Stunden) zahlen hingegen zwischen 4 und 8 Cent.

5. Sonstige Abgaben und Umlagen

Konzessionsabgabe: Eine Gebühr, die Energieversorger an Gemeinden dafür zahlen, dass diese Ihnen das Recht einräumen, Leitungen zu betreiben und zu verlegen. Die Höhe unterscheidet sich je nach Gemeinde und ist nach Einwohnerzahl gedeckelt. So dürfen Gemeinden mit bis zu 100.000 Einwohnern bspw. maximal 1,59 ct/kWh berechnen.

Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz: Aufschlag auf die Netzentgelte zur Finanzierung der Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen. Der Aufschlag richtet sich nach dem Jahresverbrauch eines Stromabnehmers und wird pro Kilowattstunde berechnet. Liegt in jedem Fall unter 0,5 Cent/kWh.

Offshore-Umlage: Die Umlage entschädigt Windparkbetreiber für Einnahmeausfälle, die durch den verspäteten Anschluss von Windparks bzw. die Unterbrechung der Netzverbindung entstehen. 2024 beträgt sie 0,656 ct/kWh.

NEV-Umlage: Die stromintensive Industrie erhält große Vergünstigungen bei Netzentgelten. Dadurch entstehen bei den Netzbetreibern geringere Einnahmen, die mit der Umlage ausgeglichen werden. Die Gebühr variiert von Jahr zu Jahr. 2023 betrug sie 0,417 ct/kWh.

Messstellenbetrieb: Kleine Gebühr für den Betrieb der Messstelle, die unabhängig vom Verbrauch abgerechnet wird.

Was kostet eine Kilowattstunde wirklich?

Das lässt sich pauschal nicht sagen, man kann es aber an Hand von Beispielen zeigen. Wir gehen im Folgenden von diesen Voraussetzungen aus:

  • Nettostrompreis: 10 ct/kWh
  • Jährlicher Verbrauch: 200.000 kWh
  • Spannungsebene: Mittelspannung
  • Netzbetreiber: Thüringer Energienetze

Beispiel 1: Hohe Benutzungsdauer

Der Verbraucher hat eine Lastspitze von 50 kW. Das bedeutet eine Benutzungsdauer von 4.000 Stunden pro Jahr (200.000/50). Wegen der hohen Benutzungsdauer zahlt der Verbraucher geringe Arbeitspreise (0,0083 €/kWh) für die Netzentgelte dafür aber hohe Leistungspreise (221,46 €/kW). Dadurch ergeben sich folgende Kosten:

Wirkarbeit: 200.000 kWh * 0,1 €/kWh = 20.000 €

Stromsteuer: 200.000 kWh * 0,02 €/kWh = 4.000 €

Netzentgelte (Leistung): 50 kW * 221,46 €/kW = 10.456 €

Netzentgelte (Arbeit): 200.000 kWh * 0,0083 €/kWh = 1.660 €

Sonstige Abgaben: 200.000 kWh * 0,015 €/kWh = 3.000 €

Gesamtkosten: 39.116 €

Was auffällt, die Gesamtkosten sind mit über 39.000€ fast das doppelte der reinen Stromkosten (20.000€). Besonders die Leistungskosten sind mit gut 10.000€ ein Preistreiber. Durch ein Absenken der Lastspitze bspw. mit einer Batterie um nur 20 kW könnte der Verbraucher jährlich mehr als 4.400€ also mehr als 10% seiner Stromkosten sparen.

Beispiel 2: Geringe Benutzungsdauer

Der Verbraucher hat eine Lastspitze von 200 kW. Das bedeutet eine Benutzungsdauer von 1.000 Stunden pro Jahr (200.000/200). Wegen der geringen Benutzungsdauer zahlt der Verbraucher geringe Leistungspreise (39,46 €/kW) aber hohe Arbeitspreise (0,0761 €/kWh) bei den Netzentgelten. Dadurch ergeben sich folgende Kosten:

Wirkarbeit: 200.000 kWh * 0,1 €/kWh = 20.000 €

Stromsteuer: 200.000 kWh * 0,02 €/kWh = 4.000 €

Netzentgelte (Leistung): 50 kW * 39,46 €/kW = 1.973 €

Netzentgelte (Arbeit): 200.000 kWh * 0,0761 €/kWh = 15.220 €

Sonstige Abgaben: 200.000 kWh * 0,015 €/kWh = 3.000 €

Gesamtkosten: 44.193 €

Auch hier sind die Netzentgelte wieder ein wesentlicher Treiber. Diesmal sind es allerdings die Arbeitskosten. Mit 15.220€ machen sie rund ein Drittel der gesamten Stromkosten aus. Hier kann eine eigene PV-Anlage sehr attraktiv sein. Da bei jeder selbst produzierten und genutzten Kilowattstunde nicht nur die Kosten für Wirkarbeit (10 Cent), sondern auch für Stromsteuer (2 Cent), Netzentgelt Arbeit (7,61 Cent) und sonstige Abgaben (1,5 Cent) entfallen. Das sind in Summe Einsparungen von 21,11 Cent pro Kilowattstunde – obwohl der Nettostrompreis nur 10 Cent beträgt. Mit einer eigenen Solaranlage und einem Eigenverbrauch von 100.000 kWh würde der Betrieb so jährlich über 21,000€ also fast 50% seiner Stromkosten sparen.

Kostenvergleich

Fazit

Sowohl in Beispiel 1 (51%) als auch in Beispiel 2 (45%) machen die reinen Stromkosten (Wirkarbeit) nur rund die Hälfte der gesamten Kosten aus. Dabei können Verbraucher mit einer steten Last also einer hohen Benutzungsdauer große Kosteneinsparungen erzielen, wenn sie ihre Lastspitzen senken. Verbraucher mit einer geringen Benutzungsdauer profitieren andererseits stark von einer eigenen Stromerzeugung, bei der sämtliche Nebenkosten entfallen.

Wie lassen sich die Kosten senken?

Grundsätzlich gilt natürlich, wer weniger verbraucht, zahlt auch weniger. Stromkosten lassen sich aber auch reduzieren, ohne den Stromverbrauch zu senken. Dafür ist es aber wichtig, die Preistreiber zu verstehen. Diese unterscheiden sich enorm je nach der Benutzungsdauer.

Bei hoher Benutzungsdauer

Haben Sie eine relativ geringe Lastspitze im Vergleich zu Ihrem gesamten Stromverbrauch, sind die Leistungskosten ein großer Faktor. Im Beispiel 1 oben machen sie mehr als 25% der gesamten Rechnung aus. Mit jedem Kilowatt, um das Sie Ihre Lastspitze senken, sparen Sie jährlich 220€ an Netzentgelten ein. Das können Sie entweder erreichen, indem Sie Lastspitzen bspw. mit einer Batterie aktiv kappen (Peak Shaving) oder es vermeiden, dass große Verbraucher gleichzeitig laufen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der atypischen Netznutzung, für die Sie sich qualifizieren, indem Sie Lastspitzen in bestimmten Zeitfenstern vermeiden.

Bei geringer Benuzungsdauer

Haben Sie einen eher ungleichmäßigen Verbrauch bspw. weil Ihre Maschinen nur acht Stunden am Tag laufen, sind Ihre variablen Kosten pro Kilowattstunde aufgrund der hohen Arbeitspreise der Netzentgelte sehr hoch. Daher kann eine eigene Stromerzeugung sehr attraktiv sein, da Sie sich pro selbst erzeugter Kilowattstunde bis zu 7 Cent an Netzentgelten sparen.